Meine erste Klassenarbeit nach dem Umstieg auf TPRS war so gut, dass ich mir Sorgen machen musste. Mein Fehler? Schlecht konzipiert? Bildet euch selbst ein Urteil:
In den Herbstferien korrigierte ich die erste Klassenarbeit in meiner 5. Klasse, mit denen ich seit den Sommerferien TPRS machte, zwei Monate genaugenommen. Mein bester Freund war dabei (denn nebeneinander korrigieren wir besser). Irgendwann bemerkte ich verdattert: „Also entweder habe ich diese Arbeit viiiiiieeeeel zu leicht gemacht, oder diese Methode ist wirklich verdammt gut.“ Mein Freund rollte nur mit den Augen: „Ich will auch EIN MAL dieses Problem haben."
Ich schaute mir an, wo die Fehler der Schüler lagen. Vokabeln hatten sie genauso schlecht gelernt wie früher, also keine kleinen Wunderkinder. Beim Leseverständnis waren einige über Details hinweggehuscht, daher war die Fehlerzahl völlig normal.
Aber die deutschen Übersetzungen der Minitexte saßen bis auf wenige Ausnahmen bombensicher. Außerdem hatte ich eine Aufgabe eingebaut, für die man nicht lernen konnte (ich weiß, total unfein), sondern die man nur durch Anwesenheit und Aufmerksamkeit richtig lösen konnte. (Schüler, die Unterricht verpasst hatten, wurden über Wiederholungen erreicht). Und auch bei dieser Aufgabe hatten fast alle volle Punktzahl. Also war alles, was sich allein auf das im Unterricht Durchgenommene bezog, überragend positiv ausgefallen.
Ich fing an, am Punkteschlüssel zu drehen. Nur leicht falsch geschriebene Vokabel? Keinen halben Punkt mehr. Bonuspunkte der Extraaufgabe? Zählten nur noch halb... Mein Freund unterbrach mich: „Sag mal, willst du jetzt die Schüler dafür bestrafen, dass sie so gut mitgemacht haben?“ Ich sagte verzweifelt: „Aber wenn bei den anderen Kollegen rauskommt, was ich für gute Noten gebe, dann bin ich doch unten durch!“
Aber dann wurde mir klar: 1. konnten meine Schüler wirklich mehr als meine letzte 5.Klasse zur gleichen Zeit. Und 2. entsprachen die Noten insgesamt auch der hohen Aufmerksamkeit im Unterricht bis zur Arbeit. Die Arbeit war nicht zu leicht. Oder zumindest nicht so extrem außergewöhnlich zu leicht, wie es die Ergebnisse anraten ließen. Wir hatten wirklich gut und intensiv gearbeitet.
Leicht beschämt gab ich die Arbeit zurück und hoffte, dass weder Eltern noch Kollegen erfuhren, dass abgesehen von einer Fünf, einer Vier und einer Drei nur Einsen und Zweien dabei waren...
Madame Dubois, eine französische Lehrerin mit eigenem TPRS-Blog, antwortete auf einen meiner Kommentare mit ähnlich faszinierenden Erlebnissen. Sie sagte sie sei immer sehr zufrieden mit ihrem Unterricht gewesen, bis ein amerikanischer Schüler zu ihr in den Unterricht kam. Er hatte erst zwei Jahre Französisch gelernt, konnte sich aber problemlos mit ihren Oberstufenschülern unterhalten. Er hatte Französisch mittels TPRS gelernt. Sie war so beeindruckt, dass sie selbst begann, sich darüber zu informieren. Ich hoffe mal, dass es bei mir nur an TPRS lag, dass die Klassenarbeit so gut ausfiel, und nicht daran, dass sie zu leicht war.
Also was meint ihr? Ich kann die Arbeit auch gerne mal online stellen, dann könnt ihr das vielleicht besser beurteilen. Interesse? Und was mache ich jetzt mit meinen zu guten Klausuren? Mir nimmt doch niemand ab, dass die Schüler wirklich besser sind. Ich will aber auch nicht höhere Maßstäbe an meine neue Klasse anlegen, wenn sie mit der neuen Methode wirklich besser mitarbeiten.
UPDATE 2013: Auch die zweite Klassenarbeit ist viel zu gut ausgefallen. Eine Sechs, eine Fünf, eine Vier, sonst nur Zweien, Dreien und Einsen. Zudem sind die Punktzahlen der Schüler so dicht aneinander, dass man überhaupt nicht mehr von einer Normalverteilung sprechen kann, egal wie man die Punkte gewichtet...
UPDATE 2014: Mittlerweile hat sich alles etwas normalisiert, da ich einige neue Schüler hinzu bekommen habe, von denen einige von unserem Tempo überfordert sind (und durch Quatschen die
anderen auch etwas stärker ausbremsen).
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