In der Serie "Wie es geht und was es bringt" findet ihr innovative Methoden für den Fremdsprachenunterricht übersichtlich erklärt. Informiert euch über Vor- und Nachteile und lernt, wie
ihr sie in den Unterricht einbauen könnt.
Das Rundfragen ist eine der effektivsten, wenn nicht gar DIE effektivste Technik für den Fremdsprachenunterricht. Kaum andere Technik ermöglicht es derart, neue Vokabeln und Grammatik im Gehirn der Schüler zu verankern.
Beim Rundfragen stellt der Lehrer Fragen an die gesamte Klasse. Vorher wurde vereinbart, dass in dieser Phase Melden verboten ist. Alle antworten gemeinsam im Chor.
Die Fragen sind so gestellt, dass sie dutzende Wiederholungen bei minimalem neuen Vokabular erlauben, wobei den Schülern dennoch nicht langweilig wird. Seht selbst wie das geht:
Wie geht das?
Üblicherweise hat man bei TPRS pro Stunde ca. drei neue Phrasen. Da wir gerade an Kleidung und Present Progressive arbeiten, war das in meiner letzten Stunde:
She wears skirts = Sie trägt Röcke
She is wearing a skirt = Sie trägt jetzt gerade einen Rock
She is laughing = Sie lacht gerade
- Statt 22 Mal zu fragen, ob Otto einen Rock trägt oder eine Hose, kann ich Subjekt, Verb UND Objekt erfragen. Daraus ergeben sich folgende Fragen:
Trägt Otto einen Rock?
Trägt Karl einen Rock? [Subjekt ausgewechselt]
Isst Otto eine Hose? (Lachen bei den Schülern) [Verb ausgewechselt]
Trägt die Blume eine Hose? [Objekt ausgewechselt]
- Außerdem kann man die Frageart variieren, was durch die Titelgrafik verdeutlicht wird:
Frage nach der Wahrheit [Antwort Ja]
Oder-Frage [ein- bis drei-Wort-Antwort]
Frage nach der Unwahrheit [Antwort Nein]
Offene Frage [kurze offene Antwort]
Daraus ergeben sich dann bereits zehn mögliche Fragen:
S1. Trägt Otto eine Hose? JA
S2. Trägt Otto eine Hose, oder trägt der Schrank eine Hose? OTTO
S3. Trägt der Schrank eine Hose? NEIN
S4. Wer trägt eine Hose? OTTO
V1. Isst Otto eine Hose, oder trägt Otto eine Hose? TRÄGT/ER TRÄGT/ER TRÄGT EINE HOSE
V2. Isst Otto eine Hose? NEIN
V3. Was tut er? ER TRÄGT EINE HOSE
O1. Trägt Otto eine Hose oder einen Rock? EINE HOSE/ HOSE
O2. Trägt Otto einen Rock? NEIN
O3: Was trägt er? EINE HOSE/HOSE
- Und dazu noch die Bestätigungen des Lehrers und wir haben den Ausdruck "X trägt Y" über zwanzig Mal erwähnt:
"Trägt Otto einen Rock?" [NEIN] "Richtig, er trägt keinen Rock, er trägt eine Hose!"
= nur eine Frage, aber die Phrase in der Antwort gleich doppelt verwendet...
Also, nochmal übersichtlich dargestellt:
Wird das den Schülern nicht langweilig? Und ist das nicht zu einfach???
Nein, den Schülern wird es nicht langweilig. Erstens sollte man sich nicht sklavisch an die Reihenfolge halten. Zweitens kann man auch wirklich lustigere Worte verwenden als "Hose" und "Blume". Da ist Raum für jede Menge Quatsch. Oft entwickelt sich der Quatsch sogar zu einer eigenen Geschichte.
Und zu einfach? Habt ihr mal in einer fremden Sprache verschieden formulierte Fragen gehört und musstet antworten? Bestimmt wart ihr sehr dankbar, wenn die geforderten Antworten wenigstens einfach waren.
Wir vergessen wie unheimlich schwer es ist, eine Sprache neu zu lernen, weil für uns alles 100% verständlich ist.
Damit überfordern wir die Schüler im regulären Unterricht enorm, da wir erwarten, dass sie gleichzeitig die Sprache richtig verarbeiten und regelgerecht produzieren und dann auch noch inhaltlich anspruchsvoll antworten. Warum? Weil wir es doch auch können... Für die Schüler ist eine Frage neu, wenn die Worte in einer anderen Reihenfolge sind, daher ist Rundfragen auch praktisch nie zu einfach für die Schüler.
Und wie einsetzen?
Wann immer ihr neue Grammatik oder eine wichtige Phrase einführen wollt, ist Rundfragen die Methode der Wahl. Ihr stellt die Stundenphrasen vor, übersetzt und erklärt sie kurz und dann legt ihr los mit Fragen. Denkt daran: Melden Verboten! Alle müssen zu jeder Zeit aufpassen und mit anworten.
Vorteile der Methode
- Neue sprachliche Formulierungen können über hundert Mal in einer Stunde erwähnt werden, ohne dass sie den Schülern langweilig werden.
- Dadurch brennen sich neue Formen unterbewusst ins Gehirn ein und können später sehr gut abgerufen werden.
- Es werden nicht nur, wie sonst üblich, hauptsächlich Aussagesätze trainiert, sondern auch Verneinung, offene und geschlossene Fragen. Nur so kann die Grammatik wirklich nachhaltig und dabei automatisch und unbewusst begriffen werden.
- Die Schüler haben einen Einfluss auf das worüber gesprochen sind und sind daher besser bei der Sache.
- Außerdem wird durch den geringen Schwierigkeitsgrad und hohen Spaßfaktor besser behalten.
- Es wird praktisch zu 90% der Unterrichtszeit die Fremdsprache gesprochen, und dennoch verstehen die Schüler nahezu hundert Prozent des Gesprochenen.
Nachteile der Methode
Es dauert etwas, bis man diese Methode beherrscht. Und dann dauert es, bis man sie wirklich gut beherrscht...
- Sie ist nicht idiotensicher, etwas Training braucht es schon
- Es ist zu Anfang nicht ganz leicht zu merken, ob man sie richtig macht. Man kann dabei sehr leicht zu schnell sprechen, oder zu wenig wiederholen, oder zu viele neue Vokabeln einbauen.
- Sie kann den Schülern doch langweilig werden, wenn man das sprachliche Niveau der Schüler extrem weit unterschreitet oder wenn man nur langweilige und für die Schüler nicht relevante Fragen stellt: "Habe ich einen langen Schal oder einen kurzen Schal?"
Fazit
Unverzichtbar, extrem wichtig, wenn es auch etwas dauert, bis man sie richtig beherrscht. Probiert es selbst einmal. Und schreibt eure Fragen gerne unten in die Kommentare.
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uworissimo (Mittwoch, 07 Mai 2014 18:16)
Hallo Charlotte,
ich lese gerade ein wenig deinen Blog und bin auf diesen Artikel gestoßen, da ich mich auch frage, wie ich neue grammatische Strukturen situativ vermitteln kann.
Meine Frage zu deiner present progressive Vorstellung ist: Antworten nach der 5. Frage überhaupt noch alle Schüler? An welcher Stelle setzt du die Bewusstmachung der Regel ein? (z.B. Hinweis auf unregelmäßige Progressiformen) In welcher Form erfolgt die Produktion/Anwendung durch die Schüler?
Vielen Dank!