Die Schulleitung weiß Bescheid, ich darf es endlich ausplaudern. Lange, lange hat es gedauert, aber jetzt gibt es endlich die lang erwarteten Ergebnisse der Vergleichsarbeit. Auch ich musste mich in Geduld üben, bis wir alles durchkorrigiert und ich die Zahlen eingegeben hatte. Ich wäre fast gestorben... (siehe Bild und Titel... just saying).
Schon Monate im Voraus lag mir die Vergleichsarbeit im Magen.
Falls du noch keine meiner Fortbildungen besucht hast, erstmal ein ganz herzliches Willkommen, und dann der Hintergrund in Kürze: Seit ich meine Klasse vor anderthalb Jahren in der Fünften übernommen hatte, arbeiteten wir im Englischunterricht parallel zum Lehrplan und den Schulbuchinhalten, aber mit völlig anderen Methoden. Sollte sich das jetzt in der Vergleichsarbeit rächen? Hatten meine Schüler so viel gelernt, wie ihre Altersgenossen in den Parallelklassen?
Wochenlanges Zittern und dann, eine Woche nach der Arbeit: Ein erster Blick auf die Ergebnisse einer Kollegin schien es zu belegen. "Meine Schüler sind schlechter!" Sofort startete das entsprechende Gedankenkarussel in einem Tempo, das genug Fliehkraft für alle Mitfahrer entwickelt hätte. "Dann verbietet mir die Schulleitung so zu unterrichten, wie es mich und die Schüler doch soooo glücklich macht! Was werden die Kollegen an der GSO [die die Methode gerade von mir lernen] nur sagen? Und die Eltern werden mich lynchen. Bestimmt habe ich das, das, das, das UND das falsch gemacht."
Die nächste Woche verbrachte ich mit Heulen, Fehlersuche und Vorbereitung auf das Gespräch mit der Schulleitung. Boah, ist mir das retrospektiv peinlich. Noch einmal eine Entschuldigung an meine Freunde und Familie, die dieses Drama mit ausbaden mussten...
...und natürlich sahen die wirklichen Ergebnisse dann ganz anders aus.
Schließlich bekam ich die Punkte einer Kollegin in einer schönen Übersicht und konnte alles mal in die Tabellenkalkulation eingeben. Und dann auf "Mittelwerte berechnen" klicken...
Und plötzlich war die Welt wieder in Ordnung. AAAAlllsooo...
... bestimmt ist das für dich nicht so entsetzlich spannend wie für mich, oder?
... habt Nachsicht mit mir, ich brenne für diese neuen Unterrichtsmethoden.
... ach, ohne so ein bisschen Drama wäre das Leben doch auch langweilig.
... und stell dir vor dir würde die Schulleitung verbieten, deinen Unterricht so zu gestalten wie du es liebst...
... ok, bevor du meinem Blog für immer auf Wiedersehen sagst, hier die Ergebnisse.
... oh, Moment, die Schulleitung hat sich verbeten, dass ich konkrete Zahlen und Diagramme mit der ganzen Welt teile. Wenn du Englischlehrer/in bist, kannst du mir aber eine Email schicken, dann kannst du auch die detaillierte Auswertung haben.
... sooo, Trommelwirbel!!!
ALLE VIER KLASSEN LAGEN PRAKTISCH GENAU GLEICHAUF. So nah beieinander, dass es schon fast unheimlich war... Nur die Neuzugänge aller Klassen, die wir seit der fünften von anderen Schulen oder als Sitzenbleiber dazu bekommen hatten, hinkten massiv hinterher. Gut die müssen sich auch erst einleben.
Warum hätte ich daraufhin gerne SO (siehe Bild) gefeiert?
Ganz einfach:
Erstens, ich darf weiterhin alles so machen wie bisher! Meine Schüler lernen mindestens genauso viel wie ihre Altersgenossen aus anderen Klassen!
Und zweitens: Der Test war auf das Schulbuch zugeschnitten. Leistungsbewertungsheft des einschlägigen Verlags, ihr wisst schon. Das Buch mit dem ich gar nicht gearbeitet hatte...
Ich hatte mich bei der Auswahl der Aufgaben vornehm zurück gehalten, damit es hinterher nicht heißen kann, ich hätte das Ergebnis beeinflusst.
Das hat mich ganz schön Nerven gekostet, da ich wusste, es würde meine Schüler durchaus benachteiligen. Und meine Schüler hatten die meisten Aufgabentypen im Englischunterricht vorher noch nicht geübt. Ich würde sagen, dass ich von allen vier Klassen die Vergleichsarbeit am wenigsten mit den Schülern vorgeübt habe.
Gab es auch Bereiche, wo meine Schüler deutlich herausstachen?
Ja, etwas, wenn auch höchstwahrscheinlich nicht signifikant. In Lesen und Mediation liegen wir mit leichtem Abstand auf Platz eins der Rangliste (in den anderen Bereichen waren wir auch immer vorn dabei). Lesen und Mediation würde Sinn machen. Wir haben schließlich auch mehr gelesen und mehr übersetzt.
(Aber Vorsicht, der Spielraum war so klein, das war wirklich nicht signifikant. Die Unterschiede können rein durch Schülerzusammensetzung oder Bewertung - trotz Abstimmung unter uns Kolleginnen - entstanden sein.)
Das Ding mit dem Hörverstehen...
Eigentlich hatte ich erwartet, dass meine Schüler in Hörverstehen Probleme haben könnten, da sie fast ausschließlich meine Stimme als Input hatten. Die Ergebnisse zeigten aber deutlich, dass meine Schüler mit den Hörtexten aus dem Buch blendend zurecht kamen, OBWOHL sie die Sprecher im Gegensatz zu ihren Kameraden KEIN EINZIGES MAL gehört hatten. Und OBWOHL sie eine derartige Übung nur ein einziges Mal vor etwa einem Jahr gemacht hatten. Hörverständnis bekamen die Schüler wirklich praktisch nur durch meine Stimme.
[Klingt gruselig? Finde ich auch, ging aber dies Schuljahr noch nicht anders. Habe ich seitdem auch schon geändert. Andererseits, wir sind immerhin 90% der Zeit, auch schon am Anfang, in der Fremdsprache geblieben, d.h. die reine Menge an sprachlichem Input war sehr hoch.]
Dennoch, dazu muss ich euch ein weiteres kleines Erfolgserlebnis erzählen.
Eine meiner superrespektablen älteren Kolleginnen bekam vor den Ferien meine Klasse in Vertretung und machte mit ihnen Englisch (war sie vielleicht auch ein wenig neugierig?). Sie berichtete mir hinterher: "Deine Schüler haben wirklich gut verstanden, was ich auf Englisch von ihnen wollte." Das hat mich fast mehr gefreut als die Vergleichsarbeit.
Ok, nur fast.
Das Fazit...
Manchmal muss man es einfach riskieren, wenn man von einer Sache restlos überzeugt ist.
Wenn du schon gehirngerecht, mit Wiederholungen und ohne Lückentexte arbeitest, mach also ruhig weiter so, es besteht absolut keinerlei Grund zur Sorge. Im Gegenteil. Die Schüler haben mehr Zeit generelles Englisch zu lernen, statt sich auf die Aufgabenformen der Buchklausuren vorzubereiten.
Wenn du noch nicht mit Verständlichem Input arbeitest, ist diese Vergleichsarbeit vielleicht eine kleine Motivation, sich auch mit
Alternativen zu klassischem Englischunterricht auseinander zu setzen. Ich jedenfalls will nie wieder zurück.
Liebe Grüße, deine Drama-Queen Charlotte
P.S.: Verzeihe den Formatierungseuphorie in dieser Mail, nach der wochenlangen Zitterpartie kann ich bei dem Thema immer noch schlecht ruhig bleiben. Und, wenn du mit gefiebert hast, war
es das, was du erwartet hattest? Wenn du erst neu hinzugestoßen bist, freue ich mich sehr. Hast du vielleicht noch Fragen? Hinterlasse einfach einen Kommentar
unten.
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Alexandra Hübner (Montag, 19 Mai 2014 14:17)
Das freut mich wirklich für dich! Ich tendiere auch immer dazu mich schlecht zu machen, bzw. ich habe Sorge nicht gut genug zu sein. Aaaaaaalso GLÜCKWUNSCH!!!!
Charlotte Dincher (Montag, 19 Mai 2014 18:30)
Danke Alexandra! Ich hoffe ihr habt bald auch ganz viele Erfolgserlebnisse. Was Nathan und Imke erzählt haben klang ja auch schon richtig toll.