Bist du auf der Suche nach einem Kennenlernspiel für den Englischunterricht (oder ehrlich gesagt jedes andere Fach), das du schnell und einfach umsetzen kannst – und das ganz ohne Material? Ein Spiel, dass niemanden bloß stellt oder zuviel Fremdsprachenkenntnisse abverlangt? Dann möchte ich dir mein absolutes Lieblingsspiel vorstellen: das Line Game. Auch für Spanisch, Französisch oder sogar auf Deutsch geht es problemlos. Dieses Spiel lässt die Lernenden schnell neue Kontakte knüpfen und gibt dir ein gutes Gespür für die Gegebenheiten der Klasse. Auch mit wenig Englischkenntnissen (oder einer andere Fremdsprache) kann man schon viel machen, da die Kinder kaum nicht selbst sprechen müssen.
Obwohl es ein Kennenlernspiel ist, lässt es sich problemlos in verschiedenen Situationen im Englischunterricht einsetzen, sei es am Schuljahresanfang oder zur inhaltlichen Vertiefung.
So funktioniert das Kennenlernspiel Line Game – im Unterricht:
-
Erkläre die längste freie Strecke im Klassenraum zu einer linearen Skala von Null auf der einen bis zehn auf der anderen Seite – eine virtuelle Messlatte, auf der sich die Schüler*innen je nach Antwort positionieren.
-
Erklärung auf Englisch: In meinem Englischunterricht erkläre ich das Spiel auf Englisch. Es ist ja nicht sehr komplex und wird auch schnell im Prozess verstanden
-
Fragen stellen: Du stellst der Klasse verschiedene Fragen, die sie durch ihre Position auf der Skala beantworten können. Beispiele für Einstiegsfragen könnten sein:
-
How old are you? (SuS stellen sich nach Alter auf)
- How tall are you?
- How long does it take you to get to school?
- How many pets do you have?
Je nach Klasse und Altersstufe bieten sich andere Fragen an:
- How much do you like English as a school subject?
- How much do you like the language English?
- How far away do you want to move after school?
- How much do you like pizza?
- How much pocket money do you THINK children SHOULD get? [Ich frage nie nach konkretem Taschengeld um die Kinder nicht bloß zu stellen, die keines bekommen oder sehr viel bekommen]
- How much time do you spend reading or watching English content outside of school (computer games included)?
- How much time do you spend reading books?
- How much time do you spend playing computer games?
-
How old are you? (SuS stellen sich nach Alter auf)
-
Nachfragen und vertiefende Diskussionen: Besonders wenn Kinder bei den Extremen der Skala stehen, bietet sich die Gelegenheit für vertiefende Fragen deinerseits, die dich die Klasse und die Kinder schnell besser kennenlernen lassen. Ich frage dann z.B. "What is your name? Ok, Tobi, do you have a VERY long way to school? Where do you live?" Ich spreche tendenziell viel, damit die Lernenden nicht so viel Sprechen müssen und damit es viel verständlichen sprachlichen Input gibt.
Vielseitig einsetzbar: Dieses Kennenlernspiel funktioniert nicht nur am Schuljahresanfang, sondern lässt sich auch hervorragend in literarische Themen im Englischunterricht einbinden, zum Beispiel bei der Analyse von Charakteren in Büchern oder Filmen. Du könntest Fragen stellen wie:
- How much do you like the character Mercutio in "Romeo and Juliet"?
- How serious is Romeo and Juliet's love?
- How guilty of the lovers' death is Juliet's father?
Zusammengefasst mag ich besonders an diesem Kennenlernspiel:
- Kein Material nötig
- Man bekommt schnell sehr viel heraus über die Klasse
- Schülerzentrierter Ansatz: Die Kinder müssen nicht sprechen und sind entspannt.
- Flexibel anpassbar: Das Line Game passt zu vielen Themen im Englischunterricht und lässt sich in jeder Unterrichtsstunde nutzen.
Vielleicht kennst du das: Viele Spiele, die für den Fremdsprachenunterricht empfohlen werden, sind gar nicht gut dafür geeignet. Sie trainieren Fehler an (Wörter aus Buchstabensalat bilden, Tabu, etc.) oder sind so langweilig, dass die Schüler*innen die Lust verlieren, weil es sehr deutlich Lernspiele sind. Genau deshalb habe ich einen Spielereader zusammengestellt, voll mit praxisbewährten Spielen, die nicht nur Spaß machen, sondern auch wirklich etwas für die Sprachkompetenz bringen.
Wenn du Lust hast, hol dir den Reader und probiere die Spiele einfach mal in deinem Unterricht aus!
Namensspiel: Wer hat den längsten Atem?
Hier noch ein Mini-Kennenlernspiel für die zweite oder dritte Stunde, aber nur um die Namen zu lernen, nicht die Fremdsprache. Beugt auch dem Problem vor, dass bei neu zusammengesetzten Klassen die Lehrkräfte oft schneller die Namen aller kennen als die Klassenkameraden selbst...
- Alle stehen im Kreis.
- Eine Person holt tief Luft und versucht, mit dem einen Atemzug so viele Namen zu sagen wie möglich, während sie an den jeweiligen Personen vorbei geht.
- Wer die meisten Namen schafft, hat gewonnen.
Die Retrospektive: Mein Weg zu einem genussvolleren und effektiveren Englischunterricht
Mit einer neuen Klasse einen einen völlig neuen Ansatz im Englischunterricht zu verfolgen – da hatte ich am Anfang ganz schön Muffensausen. Ich dachte mir: "Das probieren wir mal vorsichtig zwei Wochen aus und wenn sich am Elternabend alle beschweren, schaffen wir es wieder ab." Nach einer Woche war völlig klar, wir bleiben dabei. Die Schüler*innen waren begeistert, und die Eltern erzählten, wie sehr ihre Kinder zuhause davon schwärmten, bevor ich überhaupt meine Methode erklärt hatte. Auch auf Grund meiner Arbeitsweise (und des daraus resultierenden guten Klimas) behielt ich die Klasse schließlich fünf Jahre lang.
Ich habe Comprehensible Input Methoden wie TPRS, TPR und intensives freies Lesen eingeführt und dabei bewusst auf traditionelles Vokabellernen, Grammatikdrills, Workbook und Lückentexte verzichtet. Kurz: Alles raus, was den Lernenden ohnehin keinen Spaß macht und nach der Lernforschung auch nicht garantiert Mehrwert bringt.
Was haben fünf Jahre Spielen, Lesen und Geschichten Erzählen statt Schulbuch und Arbeitsblatt gebracht(etwas vereinfacht dargestellt) ?
Die Ergebnisse haben mich selbst überrascht: Acht von 24 Schüler:innen, die von Anfang an dabei waren, haben ein beeindruckendes Englischniveau erreicht – weit besser, als ich es jemals mit traditionellem Unterricht erlebt habe. Früher gab es immer ein paar Schüler:innen, die zuhause viel lasen oder Computerspiele auf Englisch spielten und dadurch gut waren. Doch diesmal war es anders – die Methode hat viel mehr Kinder auf ein höheres Level gebracht. Insgesamt war die Klasse am Ende im Niveau dichter beieinander.
Statt sich durch Schulbücher und Grammatikregeln zu kämpfen, haben wir Geschichten erzählt, Theater gespielt und viel gelesen und weniger lang am Stück stillgesessen.
Besonders auffällig war, dass schwächere Schüler*innen ein VIEL größeres Vokabular und besseres Hörverständnis entwickelten als ich das sonst kannte, auch wenn sie vielleicht schriftlich noch Schwierigkeiten hatten oder manche schüchtern waren beim Sprechen.
Ein besonderer Moment für mich war, als Schüler:innen, die später in die Klasse kamen, sich zunächst schwer taten, aber durch diese neuen Methoden schnell aufholten und mutiger wurden – etwas, das mir in meinem früheren Unterricht so nie passiert ist.
Ein Blick auf die Erfolge:
- Drei bis vier Schüler*innen haben ein so hohes Niveau erreicht, dass sie problemlos eine Klassenstufe überspringen könnten und dennoch im Leistungskurs mithalten würden.
- Ein Vater erzählte mir vor den Sommerferien stolz, dass sein Sohn sich im Urlaub flüssig auf Englisch verständigt habe. Der Sohn bemerkte bescheiden: "Ich bin aber nicht der Beste in der Klasse."
- Besonders berührt hat mich ein Schüler mit leichter Rechtschreibschwäche, der auch fast nie gesprochen hat. Er sagte mir: "Hello, my name is ...", war das Erste, was ich bei Ihnen gelernt habe. Und jetzt habe ich ein brauchbares Vokabular, ohne jemals Vokabeln gelernt zu haben." Sein Vokabular ist mehr als nur brauchbar – er konnte die ausgefallendsten Vokabelfragen beantworten!
- Eine schwache Schülerin, die bei mir immer auf einer knappen vier herumkrebste, hatte plötzlich bei der nächsten Kollegin eine zwei und meinte alles sei sooo einfach.
Womit bin ich noch nicht zufrieden?
Natürlich gibt es immer Raum für Verbesserungen. Ich hätte erwartet, dass die Schülerinnen durch das viele Lesen (über zwei Jahre hinweg mindestens 30 Minuten pro Woche) auch im Schreiben sicherer würden. Doch selbst nach 300 Seiten Harry Potter machten einige Schülerinnen noch viele Rechtschreib- und Grammatikfehler.
In Frankreich, habe ich bei der European TPRS Conference in Agen in diesen Sommerferien bei Workshops und Gesprächen sehr gute Ideen gewonnen. Dort hatte ich das Privileg, eine Woche Englisch zu unterrichten und wertvolles Feedback von erfahrenen Lehrkräften zu bekommen. Das hat mir z.B. geholfen, langsamer zu sprechen und noch mehr Wiederholungen in meinen Unterricht einzubauen. Hier ein paar Impressionen von der fantastischen Konferenz:
Wenn die Lehrerin halb so alt ist wie die meisten ihrer Schülerinnen... Sechs französische Seniorinnen lernten von mir Englisch. Und verrieten mir, dass sie gleich gesehen hatten, dass ich im zweiten Monat schwanger war, auch wenn ich das erst am letzten Tag verriet :-D
Wir hatten so viel Spaß:
Neugierig geworden?
Wenn du selbst erleben möchtest, wie sich alternative Methoden wie TPRS und TPR in deinem Unterricht umsetzen lassen, oder wenn du einfach auf der Suche nach neuen Ideen für mehr Spaß und
Effektivität im Sprachunterricht bist, dann hol dir meinen kostenlosen Spiele-Reader! Darin findest du praktische Anleitungen und erprobte Spiele, die deine Schüler*innen
begeistern und dir helfen, den Unterricht noch abwechslungsreicher zu gestalten.
Melde dich für meinen Newsletter an und lade dir den Reader gleich herunter (ich schreibe max. alle 14 Tage, ich habe Familie und unterrichte an einer öffentlichen
Schule...)
Kommentar schreiben