Klassenarbeiten Korrigieren in den Fremdsprachen... Wahrscheinlich genauso beliebt bei Lehrern wie das Schreiben derselben bei Schülern. Für mich gilt das definitiv, allein durch den
unglaublichen Zeitaufwand. Aber wie zielführend ist diese Sisyphusarbeit eigentlich? An diesem Thema scheiden sich die Geister. Dabei scheint die Datenlage doch in eine ganz bestimmte Richtung zu
weisen...
Dieses Bild ist nicht von mir, sondern von Pixabay...
An einer Abiklausur sitze ich mit Gutachten Schreiben im Schnitt 2.5 Stunden. Pro Schüler. Also mal eben eine Woche Mehrarbeit. Dabei wird natürlich anders korrigiert, da es hier um Fehlerdokumentation nicht -feedback geht. Aber auch Oberstufenklausuren fallen mit ca. 1.5 Stunden pro Schüler zu Buche. Lohnt sich diese massive Arbeit? Was sagt die Wissenschaft dazu?
Eine Auswahl an Studien
Einen guten ersten Eindruck bekommt man in diesem Artikel von Devon Woods, 1989, für mündliche und schriftliche Fehlerkorrektur (denn die Sachlage ist nicht neu). Mein Lieblingspunkt aus diesem leider englischen Artikel ist der Grund warum wir vermutlich so gern korrigieren. Wir erinnern uns, wie der Autor bemerkt, natürlich vor allem selektiv an die wenigen Momente in denen die Korrektur doch einen positiven Effekt hatte. Insgesamt kommt der Autor nach Analyse mehrerer Studien zu dem Fazit, dass Fehlerkorrektur in den Fremdsprachen meist eher schadet als nützt.
Wer meint, diese Studie sei nur ein Ausnahmefall, dem lege ich hier noch einige Belege ans Herz (mit bestem Dank an meine französische Freundin und Kollegin Judy Dubois, deren Artikel mich auf die Fährte der Studien geführt hat):
Dieser Artikel von Gray (2004) konzentriert sich vor allem auf die schriftliche Fehlerkorrektur und betrachtet andere Studien. Mir gefällt persönlich das Zitat von Truscott darin, in dem er bemerkt, dass die meisten Lehrer aus Erfahrung wissen, dass Schüler trotz Korrektur immer wieder die gleichen Fehler machen. Die Schüler dann als faul oder dumm zu beurteilen scheint wenig sinnvoll, da das Phänomen auch bei überdurchschnittlich guten Schülern auftritt...
Hier kritisiert der eben zitierte Truscott (1999) die Kritik einer Kollegin an seiner Kritik der Grammatikkorrektur ;-). Dabei analysiert er die Datenlage aber sehr gut und versucht auch Belege für die Gegenseite zu finden. Es scheint, dass die Fehlerkorrektur in der Praxis völlig selbstverständlich ist, obwohl die Datenlage aus der Wissenschaft dazu eher negative Indizien liefert.
Diese Studie (Kepner 1991) schlägt ebenfalls vor, ganzheitlich auf den Inhalt hin zu korrigieren, da sich so der Schreibstil stärker verbessert als bei expliziter Sprachkorrektur.
Diese Studie (Sheppard 1992) kam zum gleichen Ergebnis.
Diese Studie von Qosayere (2015) fand ich sehr unterhaltsam. Sie behauptet, die obigen Studien zu wiederlegen, die den tatsächlichen Lernfortschritt der Schüler gemessen haben. Die Methodik der Studie waren allerdings Schüler- und Lehrerinterviews. Das Argument der Forscher war also in meinen Worten wiedergegeben: "Grammatikkorrektur bringt doch etwas da Schüler und Lehrer sie in unserer Studie toll fanden..."
Und jetzt?
Was also tun wenn die alte Vorgehensweise, jeden einzelnen Fehler zu markieren, niemandem nützt?
In der E-phase (10.Klasse) habe ich schon begonnen, meine Korrektur einzuschränken. Ich erklärte den Schülern genau, warum sie jetzt nur noch auf einer Seite eine detaillierte Korrektur jedes einzelnen Fehlers bekommen würden und ansonsten das summarische Feedback über unsere integrative Sprachbewertungsmatrix mit acht Kategorien von unter anderem Wortwahl über Adressatenspezifität zu Eigenständigkeit. Statt Randbemerkungen aus Buchstaben bemühte ich mich, stärker auf die Argumentation und den Stil einzugehen. Zudem gewann ich Zeit für summarische Rückmeldungen am Ende. Hier einige Beispiele:
- I can see that you studied the topical vocabulary, which had a positive effect on your text.
-
Mind the difference between they=sie, there=dort and their=ihre.
- Your punctuation is still fairly German. Please look at the rules sheet again and leave time to check for these kinds of mistakes at the end. If you leave out the comma before "that", your text will already look much more natural.
- Remember not to use “kids” in place of "children" in formal writing and also avoid abbreviating “there's”, etc.
- You still capitalized random words in the text.
Wie man am letzten Beispiel sehen konnte, gelang es mir auch besser, den Fortschritt der Schüler sowohl für mich als auch für sie zu dokumentieren. Ich schaute bei der Korrektur einfach in den Rückmeldebogen der letzten Klausur und konnte sofort notieren, ob der Schüler bestimmte Fehlerarten jetzt vermieden hatte. Diese Zeit hatte ich vorher nicht, als ich auf 12 Seiten jedes einzelne fehlende Komma markieren musste.
Proteste über diese neue Vorgehensweise gab es übrigens nicht.
Auch bei den jüngeren Schülern habe ich begonnen, eine Matrix mit Rückmeldungen zu verwenden, statt Fehler zu unterstreichen. Denn wenn ich jeden Fehler markiere, betone ich ihn dadurch ja zusätzlich und das Gehirn der Schüler prägt ihn sich um so besser ein.
Im nächsten Artikel betrachte ich die mündliche Fehlerkorrektur.
Was meinst du? Überzeugt dich die Sachlage, oder hängst du an der detaillierten Fehlerkorrektur?
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